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Erlass des Reichskommissars für das Preußische Justizministerium vom 31. März 1933 über das Entfernen jüdischer Richter und Anwälte aus dem Justizapparat

Quellenkritische Einordnung

Das „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. März 1933 (offiziell: Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich, GBl. I S. 141) bildete die formalrechtliche Grundlage für die Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur sowie für alle noch folgenden Maßnahmen zu ihrer Festigung. Hierzu zählt, dass noch im März 1933 die Parteileitung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) „ohne Widerspruch der Reichsregierung“ anordnete, „dass beschleunigte Abwehrmaßnahmen gegen die von Juden im Ausland betriebene Greuelpropaganda getroffen werden sollen.“ Dem folgte am 1. April 1933 ein anfänglich für mehrere Tage geplanter, reichsweit organisierter Boykott von jüdischen Geschäften, Banken, Arztpraxen, Rechtsanwalts- und Notarskanzleien. Für Preußen erließ der Reichskommissar für das Preußische Justizministerium, Justizoberrentmeister Hanns Kerrl (NSDAP), bereits am 31. März 1933 eine Anordnung, nach der jüdische Richter und Staatsanwälte unter anderem gezwungen waren, umgehend Urlaubsgesuche einzureichen, und welche zudem jüdischen Rechtsanwälten den Zugang zu den Gerichten beschränkte oder gänzlich untersagte.

Inhaltliche Einordnung

In Bezug auf die jüdischen Rechtsanwälte regelte der Erlass vom 31. März 1933 zunächst das Verbot, vor Gericht aufzutreten. Zugleich sollte auch ihre Anzahl proportional zum jüdischen Bevölkerungsanteil reduziert werden. Die sonstige Berufstätigkeit blieb noch unberührt.

Der Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen im Gau Magdeburg-Anhalt hielt es zusätzlich für erforderlich, den Erlass des Reichskommissars für das Preußische Justizministerium zu konkretisieren, und übersandte hierzu dem Landgerichtspräsidenten am 6. April 1933 „zur geflissentlichen Kenntnisnahme“ und „bis zu einer etwaigen anderen Regelung“ eine entsprechende Richtlinie. Schließlich trat als eines der ersten Kabinettsgesetze nach dem Regierungsantritt Hitlers am 7. April 1933 das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in Kraft (GBl. I S. 175). Mit der in § 3 Abs. 1 enthaltenen Festlegung, nach der alle „nichtarischen“ Beamten in den Ruhestand zu versetzen waren, begann die systematische Entfernung aller jüdischen Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst. Das am gleichen Tag erlassene Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (RGBl. I S 188) wiederum enthielt die entsprechenden Regelungen für Rechtsanwälte.

Gleichzeitig formulierten beide Gesetze aber auch die Möglichkeit, für diejenigen eine Ausnahme zuzulassen, die im Weltkrieg an der Front für das Deutsche Reich gekämpft hatten.

Dieses sogenannte Frontkämpferprivileg (Frontkämpferklausel) ermöglichte es einem großen Teil der jüdischen Anwälte, ihren Beruf weiter auszuüben. Die Berliner Börsenzeitung veröffentlichte hierzu in der Nr. 220 vom 12. Mai 1933 eine Zusammenfassung der endgültig in den preußischen Oberlandesgerichtsbezirken zugelassenen arischen und nichtarischen Anwälte, unter anderem mit der Feststellung: „Im Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg waren von 787 Rechtsanwälte[n] 692 Arier und 95 Juden, davon 32 Altanwälte und 21 Frontkämpfer. Vertretungsverbote wurden erlassen gegen 20 Juden und 9 Kommunisten. 53 Juden bleiben zugelassen.“

Im Landgerichtsbezirk Halberstadt konnten so von den 1933 insgesamt vier zugelassenen jüdischen Rechtsanwälten (ein Anwalt in Aschersleben und drei in Halberstadt) zwei ihre Zulassung wiedererlangen: Rechtsanwalt und Notar Dr. Erich Hirschfeld in Aschersleben und Rechtsanwalt und Notar Dr. Friedrich Pestachowsky in Halberstadt.

Jedoch hatte diese Ausnahmeregelung nicht lange Bestand. Mit dem Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935 (RGBl. I S. 1146) und der hierzu erlassenen Ersten Verordnung vom 14. November 1935 (RGBl. I S. 1333) wurde erstmals gesetzlich definiert, wer als Jude zu gelten hatte. Die damit verbundene Aberkennung der Reichsbürgerschaft hatte für die jüdischen Beamten zur Folge, dass eine bisher nach der „Frontkämpferklausel“ grundsätzlich noch mögliche berufliche Tätigkeit endgültig ausgeschlossen war. Nach der Fünften Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 27. September 1938 (RGBl. I S. 1403) hatten letztlich auch alle jüdischen Rechtsanwälte zum 30. November desselben Jahres ihre Zulassungen abzugeben.

Rechtsanwalt Dr. Erich Hirschfeld war bereits infolge der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz nach dem 14. November 1935 die Zulassung als Notar entzogen worden. Mit Schreiben vom 23. Juli 1937 zeigte er dem Amtsgericht Aschersleben an, dass er auch seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beim Landgericht Halberstadt aufgeben würde. Ihm war es gelungen, nach Palästina auszureisen.

Ähnlich erging es Rechtsanwalt Dr. Friedrich Pestachowsky, dem ebenfalls nach dem 14. November 1935 zunächst die Zulassung als Notar entzogen worden war. Nachdem es ihm dann ab Ende 1938 mit Inkrafttreten der Fünften Verordnung zum Reichsbürgergesetz nicht mehr möglich war, weiter als Rechtsanwalt zu arbeiten, entschloss auch er sich auszuwandern, zuletzt lebte er in England.

Überlieferungsgeschichte

Zu den Personal- und Dienstverhältnissen der Richter, Anwälte und sonstigen Justizbediensteten sind in den Beständen der Land- und Amtsgerichte sowie des Oberlandesgerichts Naumburg zahlreiche Akten überliefert. Daneben beinhaltet der Bestand des Oberlandesgerichts Naumburg ca. 198 lfm Personalakten aus dem Jurisdiktionsbereich des Oberlandesgerichts, darunter auch einige von Rechtsanwälten.

Die bei den verschiedenen Gerichten geführten Sachakten sind entweder als General- oder als Sammelakten und zumeist fortlaufend als Bandreihen angelegt worden. Dabei erfolgte in der Regel keine Unterscheidung hinsichtlich der Religion der Beschäftigten. Vielmehr wurden die Vorgaben zur Ausgrenzung der jüdischen Richter, Beamten und Anwälte ab 1933 bürokratisch umgesetzt; der damit verbundene Eingriff der Nationalsozialisten in die Autorität der Rechtspflege wurde nach Aktenlage widerspruchslos hingenommen.