REVOLUTION! 1989/90 in Magdeburg und im Bezirk
Massenflucht
Die Revolution 1989/90 begann mit der Massenflucht.Von 1972 bis 1988 beantragten 8.368 Personen des Bezirkes Magdeburg die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR. Trotz aller sozialen Folgen und massiven Drucks von Partei und Staat, der bis zum Arbeitsplatzverlust reichen konnte, stieg die Zahl der Anträge. Alle Antragstellenden hatten ihre eigenen Gründe: der wirtschaftliche Niedergang der DDR mit seiner Versorgungskrise, beschränkte Reisefreiheit, persönliche Perspektivlosigkeit oder die Resignation angesichts des starren politischen Systems.
Als die benachbarten Ostblockstaaten im Sommer 1989 ihre Westgrenzen öffneten, verlor das SED-Regime die Kontrolle über die Abwanderung seiner Bürgerinnen und Bürger. Mit der Öffnung der Grenze nach Österreich am 11. September 1989 flohen Tausende über Ungarn. Andere verließen die DDR über die Botschaften in Prag und Warschau. Im Jahre 1989 reisten 9.950 Menschen aus dem Bezirk Magdeburg aus, davon 3.681 nach dem Mauerfall am 9. November 1989.
Ihr Weggang hatte massive Auswirkungen. So fehlten allein im Bezirk Magdeburg 700 Mitarbeitende im Gesundheitswesen.
Demokratie und Freiheit
Die Massenflucht war eine Niederlage des Systems und zeigte, dass die SED nicht allmächtig war. Diejenigen, die in der DDR bleiben wollten, hofften nun auf Demokratie und Freiheit.
Aus verschiedenen kleinen Oppositionsgruppen, welche die Fälschungen der Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 aufdeckten oder sich für Frieden, Menschenrechte und Umweltschutz einsetzten, entwickelte sich eine große Opposition. Im September 1989 gründeten sich die Bürgerbewegungen „Neues Forum“ und „Demokratie Jetzt“ und am 7. Oktober die Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP).
Die Forderung nach Demokratie und Freiheit wurde mit den Montagsdemonstrationen auf die Straßen getragen. Zehntausende Demonstrierende erzwangen auf einzigartige Weise den friedlichen Dialog mit der Staatsmacht. In Magdeburg bewegte sich erst am 23. Oktober 1989 die erste Montagsdemo mit 12.000 Teilnehmenden durch die Stadt. Am 4. November beendete ein Pfeifkonzert mit Buhrufen die SED-Herrschaft im Bezirk. Auf dem Domplatz forderten die Menschen bei einer von der SED vorbereiteten Kundgebung das Ende der Führungsrolle der Partei.
Acht Tage später trat Werner Eberlein, der mächtigste Mann im Bezirk, als 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung zurück.
Deutsche Einheit
Bereits zwanzig Tage nach der Grenzöffnung verlangten Demonstrierende in Halberstadt am 29. November 1989 die deutsche Einheit.
In der Übergangszeit traten die Runden Tische ins Leben. Sie waren parteiübergreifende Versammlungen, die sich als ein Gremium der Vernunft und des vernünftigen Handelns verstanden. Auf Einladung des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes konstituierte sich der Runde Tisch des Bezirkes Magdeburg am 5. Dezember 1989 und tagte in der Folgezeit siebzehn Mal. Neben den elf etablierten Parteien und Organisationen waren auch acht neu gebildete Parteien und Bürgerinitiativen sowie religiöse Gemeinschaften vertreten. Sie sollten sich mit beschließender und beratender Stimme für die politischen Interessen der Bevölkerung bis zu den Landtagswahlen einsetzen. Für bedeutende Themen wurden eigene Tische, wie der Grüne Tisch für Umweltfragen und der Wirtschaftstisch gegründet.
Die Umstellung der Staatswirtschaft auf eine Marktwirtschaft war eine Mammutaufgabe mit weitreichenden Folgen. Ein besonderes Problem stellte die Arbeitslosigkeit dar. Sie führte zu einer sozialen Schieflage, die auch nach 1990 die Gesellschaft prägte.
Tempo der Ereignisse
Ein Merkmal der Friedlichen Revolution ist das Tempo der Ereignisse.
Bereits am 18. März 1990, vier Monate nach dem Mauerfall, fanden die ersten freien Wahlen für die Volkskammer und am 6. Mai die Kommunalwahlen statt. Am 28. März 1990 bildeten die Runden Tische der Bezirke Magdeburg und Halle sowie der Stadt Dessau einen gemeinsamen Runden Tisch zur Vorbereitung des Landes Sachsen-Anhalts.
Mit der Deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurde auch das Land Sachsen-Anhalt als eines der fünf neuen Bundesländer wiedergegründet.