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Wie eine Postkarte den Lebensweg des anhaltischen Ministerpräsidenten Heinrich Deist (1874-1963) bestimmte

In seinen 1962 verfassten Erinnerungen schilderte Heinrich Deist, wie ihn sein Weg aus seinem Heimatort Mitterode – heute ein Ortsteil der nordhessischen Stadt Sontra - über mehrere Stationen in die anhaltische Hauptstadt Dessau führte. Seine Eltern bewirtschafteten in Mitterode einen Bauernhof, der 1886 hochverschuldet versteigert wurde. Die Familie zog nach Kassel, wo der Vater nun als Fabrikarbeiter tätig war. Nach fast sechsjährigem Besuch der Mitteröder Dorfschule wechselte Heinrich Deist an die Knabenfreischule in Kassel. Dort beendete er 1888 seine siebenjährige Schulausbildung. Danach arbeitete er ein Jahr als Fabrikarbeiter und absolvierte anschließend eine Lehre zum Schriftsetzer. Er trat in den Buchdruckerverband ein und begab sich ab Februar 1894 auf Wanderschaft. Er arbeitete unter anderem in Koblenz, Hamburg und Tangermünde. 1895 wurde er Mitglied der SPD. Seit 1898 lebte er in Bant bei Wilhelmshaven. Am 28. Dezember 1901 heiratete er Louise Breitzmann. Aus der Ehe gingen vier Söhne hervor. 

Ende Mai 1903 erhielt Deist von dem befreundeten Chefredakteur der Gewerkschaftszeitung „Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer“, Ludwig Rexhäuser (1863-1914), eine Postkarte aus Leipzig. 
Deist berichtete in seinen Erinnerungen dazu: 
„Diese Postkarte ist bestimmend gewesen für meinen ferneren Lebenslauf. Sie enthielt aufgeklebt einen Ausschnitt aus dem „Correspondent“ mit einer Annonce, in der die Genossen in Anhalt für ihr Volksblatt mit Buchhandlung einen Geschäftsführer, bewandert im Buchdruckereibetrieb und in der Buchhaltung, suchten“. 

Rexhäuser meinte, dass sich Deist ausgezeichnet für den Posten eignen würde und schrieb unter anderem: 
„Die Genossen in Dessau sind ziemlich nette Leute, mit denen Sie wohl auskommen würden. Versuchen Sie es einmal […]“.
 

Nach kurzer Überlegung bewarb sich Deist erfolgreich um die ausgeschriebene Stelle. Er ahnte damals noch nicht, dass seine Geschäftsführertätigkeit bei der sozialdemokratischen Tageszeitung den Beginn einer erfolgreichen Karriere als Lokal- und Landespolitiker markierte. Auf deren Höhepunkt bekleidete er ab Juli 1919 zunächst das Amt des Staatsratspräsidenten, dann von Oktober 1922 bis Mai 1932 des Ministerpräsidenten des Freistaates Anhalt, der nach dem Thronverzicht des anhaltischen Herzogshauses im November 1918 gegründet worden war. Deists Regierungszeit wurde lediglich im Jahr 1924 für vier Monate unterbrochen. 

Anlässlich des 150. Geburtstages von Heinrich Deist ist die erwähnte „schicksalhafte“ Postkarte als Archivale des Monats Juni im Archivverbund Dessau (Alter Wasserturm) in der Heidestraße 21 zu sehen. Sie gehört zu einem Nachlass, der heute im Landesarchiv Sachsen-Anhalt verwahrt wird und online recherchierbar ist. 

Er kann auf Anfrage innerhalb der Öffnungszeiten des Lesesaals (Mi 9-17 Uhr, Do 9-19 Uhr) eingesehen werden.