Antrag der Margarete Schwab auf Aufhebung des Ehescheidungsurteils, 1950
Quellenkritische Einordnung
Im Deutschen Reich wurde 1875, in Preußen 1874, die Zivilehe eingeführt, die auch Ehen verschiedener Konfessionen legitimierte. Das Bürgerliche Gesetzbuch vom 18. August 1896 legte Einzelheiten über die Auflösung, Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Ehen fest. Mit dem Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet vom 6. Juli 1938 wurde das Ehescheidungsrecht vereinfacht. Waren drei Trennungsjahre nachweisbar, so wurde von der unheilbaren Zerrüttung der Ehe ausgegangen. Als maßgeblicher Grund für eine Ehescheidung wurde auch der „Rasseunterschied“ gerichtlich anerkannt. Der im Landesarchiv Sachsen-Anhalt archivierte Antrag dokumentiert auf eindrucksvolle Weise das Schicksal einer jüdischen Familie während der Zeit des Nationalsozialismus.
Inhaltliche Einordnung
Der jüdische Kaufmann Julius Schwab (geb. 1890) heiratete 1930 in Halle (Saale) Margarete Günther, die in diesem Zusammenhang zum Judentum übertrat. 1932 wurden die Söhne Günther und Max geboren. Die Familie war von den sogenannten „Nürnberger Gesetzen“ aus dem Jahre 1935 betroffen, die sich explizit gegen Juden richteten. Nach dem „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ vom 15. September 1935 waren „Eheschließungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen und artverwandten Blutes“ verboten. Nach dem am gleichen Tag beschlossenen Reichsbürgergesetz konnten Juden keine Reichsbürger sein. Ihnen stand kein Stimmrecht in politischen Angelegenheiten mehr zu, und sie konnten keine öffentlichen Ämter bekleiden. Ebenso wurde festgelegt, wer als „Mischling ersten und zweiten Grades“ galt. Davon waren die Söhne der Eheleute Schwab betroffen.
Damit einher gingen Maßnahmen zur Verdrängung der Juden aus dem wirtschaftlichen Leben. Julius Schwab wurde gezwungen, seinen Grundbesitz zu veräußern und den Viehhandel aufzugeben. Der Geschäftsbetrieb der Firma der Gebrüder Schwab wurde offiziell zum 1. Oktober 1938 beendet.
Zahlreiche weitere Maßnahmen zur Entrechtung der Juden folgten. Das jüdische Vereinsleben musste eingestellt werden (es gab nur noch die Reichsvereinigung der Juden, die unmittelbar der Gestapo unterstellt war), spezielle Lebensmittelkarten mit dem Aufdruck „J“ wurden eingeführt, das Betreten öffentlicher Parkanlagen wurde untersagt und selbst das Halten von Haustieren wurde Juden verboten.
Im Zusammenhang mit den antijüdischen Ausschreitungen während der Reichspogromnacht (9./10. November 1938) wurde Julius Schwab verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert. Seiner Frau wurde von der Gestapo in Halle mitgeteilt, „dass er sofort freigelassen werde, wenn sie Auswanderungsmöglichkeit besorge und er sich verpflichte Deutschland innerhalb 3 Wochen zu verlassen.“ Vorher musste er jedoch noch für seine Söhne aufgrund der „Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen“ vom 17. August 1938 einen Antrag stellen, wonach seine Söhne den zusätzlichen Vornamen „Israel“ erhielten. Nach der Entlassung aus dem Konzentrationslager Buchenwald wanderte Julius Schwab Ende Januar 1939 nach Amsterdam aus.
Bald nach der Einschulung wurden die Söhne der Eheleute Schwab der Schule verwiesen. Frau Schwab wurde mitgeteilt, dass diese nur durch Juden unterrichtet werden dürfen.
Nach der Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden vom 1. September 1941 hatten diese den berüchtigten gelben Stern mit der Aufschrift „Jude“ zu tragen. In einem Schreiben vom 26. August 1942 hat der Reichsminister des Innern „keine Bedenken gegen die Kennzeichnung der Kinder mit dem Judenstern“.
Margarete Schwab wurde durch die Geheime Staatspolizei 1941 mit der Wegnahme der Kinder gedroht, falls sie sich nicht scheiden ließe und zum Christentum konvertieren würde. Um die Kinder zu schützen, gab sie im Einvernehmen mit ihrem Mann dem Druck nach. Die Ehe wurde im Juni 1942 geschieden.
Julius Schwab wurde im September 1942 in Amsterdam verhaftet und anschließend im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.
In einer Aktennotiz des Regierungspräsidenten in Merseburg vom 30. April 1943 wurde festgehalten, „dass die Kinder der Frau Schwab in Halle auf höhere Anweisung als schutzbedürftige Juden zu behandeln und nicht abzuschieben sind. Die Bearbeitung der Sache werde bis nach Beendigung des Krieges ausgesetzt.“ Frau Schwab und ihre Söhne überlebten die Kriegszeit in Halle (Saale).
1950 beantragte Margarete Schwab die Aufhebung des Ehescheidungsurteils. Mangels Rechtsgrundlage (Verordnungen der Alliierten Kommandantur Berlin galten nicht in Sachsen-Anhalt) konnte dem Antrag jedoch nicht entsprochen werden.
Überlieferungsgeschichte
Für Ehescheidungen waren ehemals die Landgerichte zuständig. Mitte 1949 ging die Zuständigkeit in 1. Instanz auf die Amtsgerichte über, weshalb der Antrag auf Aufhebung des Ehescheidungsurteils des Landgerichtes Halle aus dem Jahr 1942 an das Amtsgericht in Halle (Saale) gerichtet wurde.
Ehescheidungsurteile sind im Landesarchiv Sachsen-Anhalt eine recht häufige Quellengattung. Schwerpunkt der Überlieferung ist die NS-Zeit und die unmittelbare Nachkriegszeit. Komplette Verfahrensakten sind nur in geringerem Umfang vorhanden, während Vorgänge über die Aufhebung und Nichtigkeit von Ehen äußerst selten nachweisbar sind.