Menu
menu

Die Anfänge der „Nagelbude“ in Dessau

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts avancierte Dessau zu einem Zentrum des Maschinenbaus. Einen der ersten Firmengründer, den Chemnitzer Gustav Jahn (1806-1862), wehten die Revolutionsstürme 1848/49 förmlich nach Dessau. Der Kaufmann ließ sich 1849 im anhaltischen Dessau nieder, gründete eine Nagelfabrik und ein Jahr später mit seinem späteren Schwiegersohn Julius Arendt (1813-1885) eine Maschinenfabrik. Er hatte sich bereits in verschiedenen Branchen ausprobiert, wie in der Textilherstellung und letztlich der maschinellen Herstellung von Nägeln. Im sächsischen Mittweida wurde ihm eine entsprechende Konzession unter der Auflage erteilt, dass er nur Nagelschmiede beschäftigen solle, die einer Zunft angehörten. Jahn hielt sich nicht daran, und es kam am 28. März 1848 zum sogenannten „Nagelschmiedeaufstand“ und zur Zerstörung seiner Fabrik durch die wütende Arbeiterschaft. Regelrecht auf der Flucht kehrte Jahn letztlich Sachsen ganz den Rücken und versuchte im Anhaltischen sein Glück. Hier erhielt er am 30. Juli 1849, trotz Veto der Handwerkerschaft - konkret der Köthener Nagelschmiedeinnung -, eine Konzession von Herzog Friedrich I. zur Errichtung einer Nagelfabrik. Bereits 1826 hatte man das Leipziger Tor vom Südende des Armenhauses (Zerbster Allee, jetzt Franzstraße) bis an die Stenesche Straße hinausgeschoben. Das nun innerhalb der Stadtmauern gelegene Grundstück wurde von Gustav Jahn für diese Zwecke erworben. Im April 1850 wurden die ersten Nägel hergestellt, und bald sprach man in ganz Dessau von der „Nagelbude“ am Leipziger Tor. Doch die Nagelproduktion selbst wurde bald eingestellt und durch einen groß angelegten Maschinenbau ersetzt – der Beginn des Maschinenbaus in Dessau. Für die weitere Expansion des Betriebes benötigte man nicht nur qualifizierte Fabrikarbeiter, sondern auch umliegende Grundstücke. Laut Bauplanung sollte dabei der alte Leipziger Torbogen als Andenken stehen bleiben, jedoch die Durchfahrt zugemauert werden. Durch diese Pläne kam es zu heftigen Widerständen der Anwohner, so dass sich der amtierende Bürgermeister Karl Wilhelm Fritsche genötigt sah, die Gemüter durch eine Druckschrift zu beruhigen. 

In den Akten des Landesarchivs findet sich diese Schrift von Fritsche mit dem Titel „Untersuchung über den Protest der Bewohner der Leipziger Straße, vom 3. April 1851, gegen die Absperrung des Alten Leipziger Tores wegen der beabsichtigten Vergrößerung der Maschinenbau-Anstalt von Jahn und Arendt“. Die Anwohner befürchteten die vollständige Schließung des Leipziger Tores und damit die Abschneidung des Stadtviertels von jeglichem Handelsverkehr. Die ausführlichen Erläuterungen des Bürgermeisters schildern jedoch nicht nur den Bürgerprotest und die Gegenargumente aus Sicht des Bürgermeisters. Vor allem werden die zeitgenössische Bauentwicklung des Viertels am Leipziger Tor beschrieben und die vorhandenen Handwerke aufgeführt. Nicht zuletzt hielt Bürgermeister Fritsche dem vehementen Protest der Anwohner ein glühendes Plädoyer für die kommende industrielle Entwicklung Dessaus entgegen. 

Das Archivale des Monats August, die Druckschrift des Bürgermeisters, ist in der Abteilung Dessau des Landesarchivs im Alten Wasserturm zu sehen. Wer wissen möchte, wie sich die Sache entwickelte und ausging, kann auf Anfrage innerhalb der Öffnungszeiten des Lesesaals (Mi 9-17 Uhr, Do 9-19 Uhr) weitere Dokumente einsehen.