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Anschauungsmodelle aus dem Dessauer Philantropin für die Nachwelt

Im Mai 1910 eröffnete in Dessau im ehemaligen Palais Cohn-Oppenheim in der Kavalierstraße das städtische Landesmuseum. Neben Kunstsammlungen sollten hier unter anderem auch Exponate zur Kultur- und Landesgeschichte gezeigt werden. Bei der Erweiterung des Museumsfundus engagierte sich der Dessauer Oberbürgermeister Dr. Ernst Ebeling (1859-1932) in besonderem Maße. Im März 1911 bemühte er sich bei der Herzoglich Anhaltischen Regierung, Abteilung für das Schulwesen erfolgreich um die Ausleihe von Anschauungsobjekten aus der Lehrmittelsammlung des Philanthropins. Johann Bernhard Basedow (1724-1790) und Christian Heinrich Wolke (1741-1825) hatten das Philanthropinum, eine „Schule der Menschenfreundschaft“, vor 250 Jahren, im Dezember 1774, gegründet, um ihre reformpädagogischen Ideen zu verwirklichen. Dazu gehörte die Erprobung neuer Lehrmethoden, die auch heute noch in der modernen Pädagogik praktiziert werden, wie beispielsweise das Prinzip der Anschaulichkeit. Die Schüler sollten Wissen nicht durch bloßes Auswendiglernen von Texten erwerben, sondern durch Anschauung und eigene Sinneswahrnehmung. Zu diesem Zweck kamen im Unterricht vielfältige Lehrmittel wie Bilder, Modelle, Naturalien, Lernspiele und ähnliches zum Einsatz. Einige der Anschauungsmodelle wurden von Gönnern des Philanthropins gestiftet, andere vermutlich von den Schülern im Handfertigkeitsunterricht unter fachkundiger Anleitung einheimischer Handwerksmeister selbst hergestellt.

Nach Auflösung des Philanthropins 1793 wurde die Lehrmittelsammlung zunächst in der Dessauer Hauptschule, später im Friedrichs-Gymnasium aufbewahrt. Oberbürgermeister Ebeling vertrat die Ansicht, dass die Objekte in dem neuen „herrlichen“ Museumsbau der Nachwelt „viel mehr vor Augen geführt werden“ könnten, als es bisher möglich war. Eine umfangreiche Liste der gewünschten Ausstellungsgegenstände ist heute noch in der Abteilung Dessau des Landesarchivs Sachsen-Anhalt überliefert. Als Archivale des Monats Oktober kann sie dort im Alten Wasserturm in der Heidestraße 21 in Augenschein genommen werden.

Nur wenige der auf der Liste genannten Gegenstände haben den Zweiten Weltkrieg und die Folgezeit überdauert. Darunter ist das Modell einer Kirche zur Veranschaulichung der Wirkung eines Blitzeinschlages und der Funktion eines Blitzableiters, welches jetzt im Museum für Stadtgeschichte zu sehen ist.

Im Landesarchiv Sachsen-Anhalt sind nicht nur Dokumente zum Schicksal der Sammlung des Philanthropins erhalten geblieben, sondern auch umfangreicher Schriftverkehr Basedows und anderer Pädagogen mit Fürst Franz von Anhalt-Dessau und fürstlichen Beamten über die Einrichtung der Schule, deren Unterrichtsinhalte und das Lehrpersonal. Die Quellen stellen eine wichtige Ergänzung zu dem in der Wissenschaftlichen Bibliothek der Anhaltischen Landesbücherei im Stadtarchiv Dessau-Roßlau verwahrten Nachlass des Philanthropinums, den „Reliquiae Philanthropini“, dar. Sie können online recherchiert und auf Anfrage innerhalb der Öffnungszeiten des Lesesaals in Dessau (Mi 9-17 Uhr, Do 9-19 Uhr) ausgewertet werden.