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Bittschrift zur Errichtung eines jüdischen Friedhofes in Halle an der Saale im Jahr 1693

Inhaltliche Einordnung

Die Bestattung der Toten ist im Judentum – wie in fast allen Religionen – ein elementarer Bestandteil des Glaubens und mit Normen und Riten verbunden. Die Anlegung eines Friedhofes ist somit Ausdruck einer gelebten Religiosität und eines aktiven Gemeindelebens. In Halle an der Saale sind vier jüdische Friedhöfe nachweisbar, die mit der wechselvollen Geschichte der hiesigen Gemeinde verknüpft sind. Obwohl es schon viel früher jüdische Bewohner und Bewohnerinnen in der Saalestadt gab, lässt sich der erste Friedhof erst vor 1350 auf dem Gelände des heutigen Jägerplatzes nachweisen [Lothar Mertens: Halle. In: Jutta Dick, Marina Sassenberg (Hg.): Wegweiser durch das jüdische Sachsen-Anhalt. Potsdam 1998, S. 107]. Er wurde jedoch bereits im 14. Jahrhundert niedergelegt.

Die hier präsentierte Quelle aus dem Jahr 1693 ist ein Zeugnis der Gründung der zweiten jüdischen Begräbnisstätte in Halle. Diese lag außerhalb der Stadt am Galgtor auf dem Töpferplan und war bis zur Einweihung des Friedhofes an der Humboldtstraße im Jahr 1869 über hundert Jahre die einzige jüdische Ruhestätte der Saalestadt. Zugleich gibt die Quelle aber auch Auskunft über die Anfänge der jüdischen Gemeinde in Halle in der Frühen Neuzeit. Sie bestand zunächst nur aus den vier Familien von Jacob Levin, Salomon Israel, Assur Marx und Berendt Wolff. Letzterer wurde Vorsteher der jüdischen Gemeinde, wie aus einem späteren Schreiben in derselben Akte hervorgeht. Die vier Familien hatten einen Garten vor Halle gekauft, den sie als Friedhof nutzten wollten. Doch führte dieses Unterfangen zu einem Konflikt mit dem Rat der Stadt Halle, der nur durch das Eingreifen des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg beigelegt werden konnte.

Quellenkritische Einordnung

Der vorgestellte Bittbrief an den Kurfürsten ist Teil einer 18 Blatt umfassenden Akte mit der Signatur A 5, Nr. 722a. Sie gibt Einblick in die Verwaltungsvorgänge der Regierung des Kurfürstentums Brandenburg, dem 1680 das Erzstift Magdeburg und damit auch die darin gelegene Stadt Halle zufiel. Die vier Unterzeichner des Bittbriefes vom 24. Februar 1693 [Blatt 1/1] hatten kurz zuvor vom Kurfürsten als sogenannte „Schutzjuden“ die Erlaubnis erhalten, sich in Halle niederzulassen. Kurfürst Friedrich III. setzte somit die Politik seines Vaters Friedrich Wilhelm fort, durch die Ansiedlung von Pfälzern, Hugenotten und Juden die durch den Dreißigjährigen Krieg stark gebeutelte Region wirtschaftlich zu stärken. Für den Rat der Stadt stellte die Anlegung eines jüdischen Friedhofes ein Problem dar, da dieses bisher als Garten genutzte Grundstück mit einem Erbzins belehnt wurde, wie der Rat in seinem Schreiben vom 11. März [Blatt 4-7] darlegt. Insofern zeigt die Bittschrift die vollständige Abhängigkeit jüdischen Lebens vom Wohlwollen des Landesherrn.

Überlieferungsgeschichte

Der Schriftwechsel zur Errichtung eines jüdischen Friedhofes im Jahr 1693, an dem nicht nur die jüdische Gemeinde und der Rat der Stadt Halle, sondern auch die Regierung des Herzogtums Magdeburg sowie der Kurfürst von Brandenburg beteiligt waren, ist Teil der Überlieferung des Bestandes A 5 Brandenburg-preußische Landesregierung im Herzogtum Magdeburg. Diese Behörde war vor allem für Hoheits-, Justiz- und Lehnsangelegenheiten zuständig, aber auch für sogenannte „Judenangelegenheiten“ oder „Judensachen“, wie es auf dem Aktendeckel vermerkt ist. Unter diesem historischen Gliederungspunkt wurden alle Vorgänge der Magdeburger Regierung gesammelt, die sich mit Jüdinnen und Juden befassten. Dies beinhaltet nicht nur bauliche oder religiöse Angelegenheiten, wie die Errichtung des Friedhofes vor Halle, sondern auch Sonderabgaben, wie z. B. zu leistende Schutzgelder, oder Regelungen für durchreisende Jüdinnen und Juden. Die in der Registratur der Regierung vorgenommene Zusammenfassung aller Vorgänge, welche die jüdische Bevölkerung betreffen, veranschaulicht deren exkludierende Sonderstellung, die Juden und Jüdinnen in ihrem Verhältnis zur Obrigkeit bis ins frühe 20. Jahrhundert hatten. Sie lässt sich heute noch an den historischen Gliederungspunkten der im Landesarchiv Sachsen-Anhalt verwahrten Regierungsbestände, aber auch in anderen frühneuzeitlichen Archivbeständen ablesen.

Die Bittschrift können Sie hier herunterladen:

LASA, A 5, Nr 722a Bl 1-1