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Verschollene Urkunden zurück im Landesarchiv Sachsen-Anhalt

Als das Ehepaar Eva-Maria und Dr. Matthias Kühnrich den elterlichen Nachlass ordnete, entdeckten sie eine unscheinbare Kunststoffdose. Was sie darin vorfanden, sorgte für großes Erstaunen: Zwei historische Pergamente sowie zwei Wachssiegel mit filigranen Abbildungen lagerten in dem Behältnis. 
Von der alten Schrift konnten sie immerhin die Zahlen 1226 und 1375 entziffern. „Sie ließen uns vermuten, dass es sich um eine Datierung handeln könnte“, so Dr. Matthias Kühnrich. „Das Übrige konnten wir allerdings nicht lesen, weshalb wir Kontakt zu Experten suchten.“
 

Vermittlung an das Landesarchiv Sachsen-Anhalt

Dank einer Vermittlung gelangten sie an das Landesarchiv Sachsen-Anhalt. Nach einer Kontaktaufnahme lud Dr. Ralf Lusiardi, Leiter der Abteilung Magdeburg, das Ehepaar zu einem Gespräch in die Elbestadt ein. „Anhand von Fotos der Urkunden sowie mithilfe unserer Findhilfsmittel ließ sich schnell ermitteln, dass die beiden Archivalien einst zum Eigentum des damaligen Staatsarchivs Magdeburg gehörten“, erinnert sich der Archivar. 

Kulturgutverluste im Umfeld des Zweiten Weltkrieges

Was in der Zwischenzeit mit den Archivalien passiert war, ist nur in Teilen zu rekonstruieren. Angesichts der wachsenden Bombardierungsgefahr fand im Zweiten Weltkrieg eine Auslagerung der Urkunden- und weiterer Archivbestände statt – zunächst in den Tresorraum der einstigen Reichsbank am Breiten Weg, dann auch in verschiedene Bergwerke der Region. Zwar begannen nach Kriegsende aufwendige Rückführungen von Archivalien, doch benötigte es Jahrzehnte, ehe sich das Ausmaß der Verluste abschätzen ließ. Darunter waren auch die beiden Urkunden von 1226 und 1375, die bei Bestandsrevisionen der Jahre 1947 bzw. 1957 als fehlend notiert wurden.

Authentische Einblicke in Rechtsgeschäfte des Mittelalters

Gemeinsam mit dem Bestandsreferenten Marcel Giffey gab Herr Dr. Lusiardi Einblicke in die Inhalte der beiden Urkunden. Die jüngere aus dem Jahr 1375 ließ der Halberstädter Bischof Albrecht ausstellen, um dem Kloster St. Johannis einen Urkundentext aus dem Jahr 1311 rechtssicher zu bestätigen. Bei der älteren Urkunde aus dem Jahr 1226 handelt es sich um einen Vertrag zwischen dem Magdeburger Burggrafen und dem dortigen Domprobst.

Schenkung zur Ergänzung des historischen Erbes Sachsen-Anhalts

Wie die beiden Urkunden Jahrhunderte später in den Nachlass gekommen sind, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei ermitteln: „Leider haben wir sie erst nach dem Tod meiner Eltern entdeckt“, erklärt Dr. Matthias Kühnrich. „Möglicherweise sind sie bei einem Transport heruntergefallen und meine Schwiegermutter, die damals bei der Magdeburger Bahnhofsmission arbeitete, hat sie ohne weitere Kenntnis des Inhalts aufgesammelt“, mutmaßt Eva-Maria Kühnrich. 
Da dem Ehepaar daran gelegen ist, dass die Urkunden an ihren archivischen Aufbewahrungsort zurückkehren und so auch künftigen Generationen zugänglich bleiben, haben sie sich zu einer Schenkung an das Landesarchiv Sachsen-Anhalt entschlossen. 
Bei der Übergabe dankte der Leiter des Landesarchivs, Dr. Detlev Heiden, für diese Überlassung: „Damit stehen die beiden Urkunden wieder der Allgemeinheit zur Verfügung. Zu ihrem dauerhaften Erhalt verpacken wir die beiden Urkunden in speziellen säurefreien Mappen und Kartons und lagern sie unter idealen klimatischen Bedingungen in unserem gesicherten Magazin ein“. Anhand ihrer Signaturen U 1, XIX Nr. 3 und U 8, C Nr. 167 bleiben die Archivalien auffindbar und lassen sich im Lesesaal des Standorts Magdeburg einsehen.
Mit Blick in die Zukunft unterstützt das Beispiel des Ehepaares Kühnrich die Hoffnung, dass noch weitere vermisste Archivalien in das Landesarchiv Sachsen-Anhalt zurückkehren, wie Herr Dr. Heiden betont: „Für Hinweise sind wir jederzeit dankbar.“