Stimmungslage
Schon vor den Wahlen äußerten immer mehr DDR-Bürger in Eingaben oder auf Wahlveranstaltungen ihre Unzufriedenheit. Der SED musste langsam bewusst werden, wie dramatisch die Stimmung im Land sich verschlechtert hatte. Die Drohung, nicht zur Wahl zu gehen oder eine Gegenstimme abzugeben, stand im Raum – und aus der Bürgerbewegung wurde zur Wahlverweigerung aufgerufen.
Alltägliche Versorgungsprobleme prägten die Stimmungslage, wogegen in gewerkschaftlichen Mitgliederversammlungen versucht wurde, die „Kampfdemonstrationen“ des 1. Mai und die Kommunalwahlen noch einmal als gesellschaftliche Höhepunkte zu gestalten.
Als konkrete Gründe für „Wahlvorbehalte“ wurden benannt: „Ungeklärte Wohnungsprobleme; Reparaturzeiten bei Pkw von 4 Monaten; Antrag auf Wohnsitzänderung; Versorgung mit Gurken, Tomaten, Paprikaschoten und sogar Möhren“.
Die näherrückende Abfolge bedeutsamer Tage steigerte die staatliche Aufmerksamkeit und ließ auch „neofaschistische, antisemitische, antisowjetische und andere feindliche Handlungen und Ausschreitungen“ fürchten.
Kritische Fragen wurden immer selbstverständlicher und zunehmend öffentlich gestellt – aber auch Anzeichen von Resignation waren in den Wochen vor den Kommunalwahlen zu verzeichnen.