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7. bis 13. September 1989: Fluchtbewegung

Der offene und der öffentlich wahrnehmbare Protest umfasste Anfang September die Leipziger Montagsgebete und Demonstrationen ebenso wie die Gründung des Neuen Forums. Die donnerstäglichen Friedensgebete im Magdeburger Dom zogen umfassende Vorbeugemaßnahmen der entschieden auftretenden Staatsmacht nach sich. Nächtliche „Aufklärungstätigkeit“ sollte „Schmierereien“ verhindern.

 

Am 11. September öffnete Ungarn seine Westgrenzen. Innerhalb von drei Tagen flüchteten 15.000 DDR-Bürger. Die SED startete letztmals eine propagandistische Offensive gegen die Flüchtenden und gegen die Bundesrepublik Deutschland — die Weltöffentlichkeit dagegen nahm lange unvorstellbare Bilder wahr.

Die inszenierte Empörung gegen den vormaligen sozialistischen Verbündeten blieb nicht unwidersprochen, sondern rief auch „Scham und Angst“ hervor:

Forderungen nach entschiedener staatlicher Reaktion überlagerten sich mit Kritik am „Fehler des Verschweigens“: „Die Genossen bringen verstärkt zum Ausdruck, daß sie die wahren Probleme in vollem Umfang wissen wollen, auch wenn sie schmerzlich sind.“

Nachdenklichkeit angesichts einer noch lange nicht beendeten Massenflucht lässt sich den unterschiedlichsten Quellen entnehmen — vom Brigadebuch bis zum Gemeindebrief:

Trotz Massenflucht, Demonstrationen und wachsender Opposition bemühten sich Staats- und Parteiführung, den Schein des Gewohnten zu wahren, wozu die Leipziger Herbstmesse einen Anlass bot.

Die alljährlichen Betriebskundgebungen anlässlich des Weltfriedenstages am 1. September oder sogenannte Höchstleistungsschichten lassen auf den überlieferten Fotografien noch einmal die Gleichzeitigkeit vermeintlicher Normalität trotz unübersehbarer Umbrüche erahnen.

An den alltäglichen Realitäten der Mangelwirtschaft änderte sich auch in diesen Wochen nichts.