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Wirtschaft

Der systematische Ausbau der Rübenzuckerindustrie seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts wirkte als Motor der Industriellen Revolution im provinzialsächsisch-anhaltischen Raum. Die Zuckerproduktion in der Magdeburger Börde und dem Harzumland erforderte Ausrüstung und Energie. Entstehung und Wachstum weiterer Industriezweige wurden so vorangetrieben.
Eine leistungsfähige Maschinenbauindustrie entstand mit Zentren in Halle und Magdeburg, der Braunkohlenbergbau wurde intensiviert. Die Braunkohle diente nicht nur der Energiegewinnung, sie wurde auch zur Verschwelung (Gewinnung von Paraffin und Heizölen) verwendet. Die Entwicklung des Verkehrswesens, vor allem durch die Eisenbahn, erleichterte die infrastrukturelle Erschließung des Gebietes. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstand außerdem eine umfangreiche Kaliindustrie, die zunächst vor allem Dünger für die Landwirtschaft herstellte. Kalisalz gehörte zusammen mit der Braunkohle auch zu den wichtigsten Grundlagen der Entwicklung der chemischen Industrie besonders im südlichen Teil des Territoriums. Leichtindustrie spielte demgegenüber eine untergeordnete Rolle, zu nennen ist etwa die Schuhindustrie im Weißenfelser Gebiet.
Mit den Weltkriegen, dem Bedarf an Rüstungsgütern und den Autarkiebestrebungen erlebte vor allem die staatlich subventionierte chemische Industrie einen bemerkenswerten Aufschwung. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erlangte sie im mittleren und südlichen Teil Sachsen-Anhalts Weltgeltung. Für die Wirtschaft der Region nahm die chemische Industrie seit 1916 eine Schlüsselstellung ein. Nach 1945 ist eine Fortsetzung dieser Entwicklung zu beobachten.

Verstaatlichung und Archivierung

Die industrielle Struktur blieb nach dem Krieg und in der DDR mit unterschiedlichen Schwerpunkten in den Bezirken Halle und Magdeburg weitgehend erhalten. Ein großer Teil der Betriebe wurde nach 1945 oder bis in die 70er Jahre verstaatlicht. Der neu entstandene Sektor der volkseigenen Wirtschaft war zahlreichen Umstrukturierungen unterworfen, auch nach der Bezirksgründung änderten sich die Unterstellungsverhältnisse der Volkseigenen Betriebe (VEB) unter wirtschaftsleitende Organe, sowie deren Struktur und Rechtsstatus (Hauptverwaltungen der Fachministerien, Vereinigungen Volkseigener Betriebe, Verwaltungen Volkseigener Betriebe, Kombinate) mehrfach. 1990 erfolgte die Privatisierung und Entflechtung.

Die Verstaatlichung der Industrie in der DDR war die Grundlage der Zuständigkeit der Staatsarchive auch für das Archivgut der Wirtschaft, wozu auch die noch vorhandenen Unterlagen der privaten Vorgängerbetriebe vor 1945 zählten. Ausgehend von der Wirtschaftsstruktur der Bezirke hatten die bedeutendsten Betriebe und Institutionen der Wirtschaft ihr Archivgut an das jeweilige Staatsarchiv abzugeben. Mit der politischen Wende von 1990 und den damit verbundenen Änderungen der Eigentumsverhältnisse endete auch die Zuständigkeit der Staatsarchive für die Unterlagen von Wirtschaftsbetrieben.

Bestände

Die Überlieferung der Wirtschaft im Landesarchiv Sachsen-Anhalt umfasst im Wesentlichen den Zeitraum vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis um 1990. Hervorzuheben ist die besonders in Beständen einiger großer Industriekombinate anzutreffende Vielfalt der Archivgutarten. Neben Akten im Umfang von mehr als 11.000 laufenden Metern, 13.000 Karten, Plänen, Rissen und Zeichnungen sowie Plakaten, Filmen und Tonträgern enthalten die Wirtschaftsbestände auch einen großen Teil der Fotoüberlieferung.

Überlieferungsschwerpunkte

Die Schwerpunkte und Besonderheiten der industriellen Entwicklung im heutigen Sachsen-Anhalt spiegeln sich auch in den Beständen wider:

  • Nahrungsgüterwirtschaft (Erste Deutsche Knäckebrotwerke Dr. Krafft, Burg; VE Kombinat Stärke und Kartoffelveredlung Halle/Saale) mit zahlreichen Zuckerfabriken und Zuckerraffinerien,
  • Betriebe der Saat- und Pflanzenzucht (Rabbethge und Giesecke AG Klein-Wanzleben, VE Kombinat Pflanzenzüchtung und Saatgutwirtschaft Quedlinburg),
  • Maschinen-, Anlagen, und Gerätebau (VEB Schwermaschinenbau Ernst Thälmann, VEB Schwermaschinenbau Karl Liebknecht, VEB Schwermaschinenbau Georgi Dimitroff und VEB Magdeburger Armaturenwerke Karl Marx, alle Magdeburg; VEB Maschinenfabrik Halle/Saale, VEB Mitteldeutsches Fahrradwerk Sangerhausen),
  • Bergbau, vor allem Braunkohlenbergbau und Kaligewinnung,
    Kupferschieferbergbau im Mansfelder Raum,
    Salzgewinnung sowie Metallurgie und Hüttenwesen,
  • chemische Industrie mit Zentren im Raum Halle-Merseburg, Bitterfeld-Wolfen, Weißenfels-Zeitz und Anhalt (Leuna-Werke, Kombinat VEB Chemische Werke Buna, VE Chemiekombinat Bitterfeld, Deutsches Hydrierwerk Rodleben).

Daneben finden sich Bestände aus den Bereichen:

  • Siedlungs- und Wohnungswesen (Mitteldeutsche Treuhandgesellschaft für Bergmannssiedelungen GmbH, Halle/Saale),
  • Energiewirtschaft (Elektrizitätswerk Sachsen-Anhalt AG (Esag), Halle/Saale),
  • Elektrotechnik/Elektronik (VEB Kombinat Rundfunk und Fernsehen Staßfurt),
  • Bauwesen (VEB Autobahnbaukombinat Magdeburg; VEB Wohnungsbaukombinat Halle),
  • Leichtindustrie (VEB Kombinat Schuhe Weißenfels),
  • wirtschaftliche und berufsständische Interessenvertretungen (Industrie- und Handelskammern für Magdeburg und Halle),
  • Finanzwirtschaft (Staatsbank der DDR, Bezirksdirektionen Halle und Magdeburg).

In der Umbruchzeit nach 1989, als es zur Auflösung bzw. Privatisierung der ehemaligen Staatsbetriebe kam, stand von archivischer Seite die Sicherung der schriftlichen Überlieferung im Vordergrund. Dabei musste auch unbewertetes Schriftgut übernommen werden, sodass bis heute Bewertungs- und Erschließungsrückstände im Bereich der Wirtschaftsüberlieferung bestehen. Die Bestände der Wirtschaft sind mittlerweile jedoch überwiegend benutzbar und zumindest durch Karteien oder Ablieferungslisten erschlossen.