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Wir sind da - Jüdisches Leben in Deutschland!

Seit dem 15. Oktober finden noch bis zum 7. Dezember die zweiten landesweiten Jüdischen Kulturrage Sachsen-Anhalt unter dem Motto „Jüdisches Sachsen-Anhalt von Alef bis Taw“ statt.

Durch zahlreiche Veranstaltungen werden jüdische Kultur und Traditionen in ihrer Geschichte und Gegenwart vermittelt. Die Jüdischen Kulturtage bieten allen Interessierten die Möglichkeit, jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt in seiner Bandbreite kennenzulernen.

Das Lesekonzert mit Uwe von Seltmann und Warnfried Altmann unter dem Titel „Wir sind da - Jüdisches Leben in Deutschland!“ setzte das Engagement des Landesarchivs für eine demokratische Gesellschaft und gegen Antisemitismus fort. Der Leiter des Landesarchivs, Dr. Detlev Heiden betonte in seinem Grußwort die Notwendigkeit, angesichts des Terrorangriffs der Hamas auf Israel und der Konfrontation in Deutschland mit brutaler antisemitischer Agitation und dem öffentlichen Bejubeln des Hamas-Terrors, ein Zeichen der Solidarität mit jüdischem Leben zu setzen. Als Haus der Geschichte trägt das Landesarchiv aktiv zur Demokratieförderung bei und motiviert zum Lernen aus der Geschichte.

In seinem krankheitsbedingt durch Eva-Maria Thiele verlesenen Grußwort knüpfte der Vorsitzende des Landesverbandes jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt, Max Privorozki an die historische Dimension der Ereignisse des 7. Oktobers 2023 an und verglich sie mit dem 9. November 1938. Die Reichsprogromnacht räumte auch die letzten Zweifel aus, dass die Nationalsozialisten ihre mörderische, antisemitische Rhetorik konsequent in die Tat umsetzten. Angesichts dieser historischen Erfahrung warnte Privorozki davor, sich über die Ziele der Hamas Illusionen hinzugeben: Sie ziele auf die Auslöschung Israels und die Neuauflage eines Islamischen Staates. Hinsichtlich der aktuellen antisemtischen Agitation machte Privorozki deutlich, dass es längst nicht mehr nur um den Schutz der jüdischen Bevölkerung gehe, sondern den Schutz der gesamten Gesellschaft.

In einer abwechslungsreich durch Musik- und Gesangseinlagen untermalten Lesung stellte Uwe von Seltmann sein 2021 erschienenes Buch Wir sind da – 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland!“ vor.

Von Seltmann schilderte die Schwierigkeit, jüdisches Leben eindeutig zu definieren. Welche Voraussetzungen sind zu erfüllen, um jüdisch zu sein? Nach der auf die Antike zurückgehenden Tradition, ist nur jüdisch, wer eine jüdische Mutter hat. Was ist aber mit Personen, die lediglich einen jüdischen Vater vorweisen können und jüdischen Personen, die zum Christentum konvertiert sind? Können sie in einem Kanon zu jüdischem Leben Berücksichtigung finden? Von Seltmann hat sich in seinem Buch für eine weite Auslegung des Jüdischseins entschieden. Denn nur auf diese Weise lasse sich jüdisches Leben mit seinen zahlreichen Ausprägungen innerhalb der Gesellschaft ergründen. Jüdische Begriffe, wie etwa „malochen“ sind ein Bestandteil deutscher Sprache, und zum Protestantimus konvertierte Juden wie Heinrich Heine gehören ebenso wie Wolf Biermann oder Moses Mendelssohn zum festen Kanon deutschen Geisteslebens. In seiner Erzählung der jüdischen Geschichte in Deutschland demonstrierte von Seltmann anhand ausgewählter Persönlichkeiten den Facettenreichtum des jüdischen Lebens in Deutschland. Mit Zitaten sowie Musik- und Gesangsbeiträgen von Warnfried Altmann führte das Duo das Publikum durch einen lebhaften und lehrreichen jüdischen Kulturabend, der im Anschluss bei einem Glas Wein und weiterführenden Gesprächen ausklang.

Nach einem gelungenen Abend blieb nicht nur ein Buchtipp, sondern auch die Bestätigung, dass deutsche und jüdische Geschichte und Kultur untrennbar zusammengehören.

Das Landesarchiv hatte bereits an den ersten landesweiten Jüdischen Kulturtagen Sachsen-Anhalt teilgenommen und das zum 1.700-jährigen Jubiläum erschienene Heft der Reihe QuellenNAH unter dem Titel „Zu Hause in Sachsen-Anhalt. Jüdinnen und Juden zwischen Verfolgung, Selbstbehauptung und Anerkennung vorgestellt.

Die Autorin Christina Wirth zeichnete anhand aussagekräftiger, didaktisch aufbereiteter Archivquellen das vielfältige jüdische Leben auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt nach. Ihr damals formuliertes Fazit muss gerade in den heutigen Tagen in Erinnerung gerufen werden: „Jüdisches Leben ist zu achten, zu schätzen und zu schützen.“

Denjenigen, die sich auf Spurensuche nach jüdischer Geschichte auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt begeben möchten, finden Heft 7 der Reihe QuellenNAH hier.

Am 30. November 2023 um 17 Uhr wird die Autorin Christina Wirth einen eigenen Workshop dazu anbieten, der anhand ausgewählter Beispiele Möglichkeiten zur weiterführenden Erforschung jüdischer Geschichte in Sachsen-Anhalt aufzeigt. Die Teilnehmenden lernen sowohl das Landesarchiv als auch die Spezifika von Quellen zur jüdischen Geschichte kennen.