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Klage des Bankiers Sußmann Heinemann in Magdeburg gegen Oberstleutnant von dem Knesebeck zu Langenapel wegen Geldschulden

Inhaltliche Einordnung

Am 30. Juni 1831 erhielt der Königlich-Preußische Oberstleutnant Christian Friedrich von dem Knesebeck (1780-1849) eine Rechnung mit einer Gesamtsumme von 636 Talern, 1 Groschen und 9 Pfennigen von den beiden jüdischen Handelsleuten und Bankiers Israel Jakob und Sußmann Heinemann (in der Quelle auch Susmann Heynemann) präsentiert. In den Jahren 1829 und 1830 waren Geldanleihen in ihrem Handelshaus erfolgt, die unter anderem sein Bruder ausgeliehen hatte. Von dem Knesebeck wurde nun aufgefordert, die Summe inklusive Zinsen bis zum 31. Dezember 1831 zurückzuzahlen.

Der Gutsherr von Langenapel sah sich aber nicht in der Lage, die ausstehende Summe rechtzeitig zu begleichen. Denn nicht nur dort hatte von dem Knesebeck Geld geliehen. Weitere erhaltene Akten im Gutsarchiv aus den 1830er Jahren zeigen auf, dass er zahlreiche Schulden in diesem Zeitraum durch rückständige Hypothekenzahlungen und Geldforderungen anderer Handelsleute angehäuft hatte.

Es folgte in den Jahren 1831 bis 1834 ein intensiver Briefaustausch mit dem Bankier Heinemann, in dem der säumige Gutsherr immer wieder um Zahlungsaufschub bat oder dem Handelshaus Versprechungen machte, durch eine gute Ernte alle Rückstände begleichen zu können. Trotz steigender Verzugszinsen hielt von dem Knesebeck alle neu gesetzten Zahltermine nicht ein, sodass sich Heinemann zu einer Klage vor dem Königlich-Preußischen Oberlandesgericht in Naumburg gezwungen sah.

Warum von dem Knesebeck zum Prozesstermin am 2. Mai 1834 nicht erschien, kann anhand der Überlieferung nicht nachvollzogen werden. In dem Urteil vom 9. Juni 1834 wurde er schuldig gesprochen und musste nun nicht nur innerhalb von 14 Tagen die fällige Summe bezahlen, sondern auch die Prozesskosten von 6 Talern, 17 Groschen und 8 Pfennigen übernehmen.

Quellenkritische Einordnung

Es war lange Zeit üblich, sich bei Handelshäusern, Kaufleuten, Geldverleihern oder – auf dem Land typischer – bei der Kirche Geld zu leihen. Das moderne Bankwesen bildete sich erst im 19. Jahrhundert aus. Sparkassen etwa waren zunächst mehr auf die Aufbewahrung von Ersparnissen und Geldanlagen ausgerichtet als auf Geldverleih und Kreditvergabe.

Verschiedene gesellschaftliche Gruppen betätigten sich im Bereich des Geld- und Bankwesens, berühmtestes Handels- und Finanzhaus in Deutschland war wohl das der Fugger in Nürnberg. Allerdings verbindet man mit dem Geschäft des Geldverleihs in der Frühen Neuzeit und auch noch im 19. Jahrhundert vor allem die jüdische Bevölkerung.

Die Ursprünge finden sich im Mittelalter, als jüdische Händler oftmals ihre Handelstätigkeit kombiniert mit Geld- und Kreditgeschäften anboten. Der Geldverleih war eine der Strategien von Juden für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, da sie beispielsweise von anderen Berufen, wie einem zünftigen Handwerk, ausgeschlossen wurden. Typischerweise wurde der Geldverleih aus eigenem Kapital vorgestreckt und nach erfolgtem Geschäft gegen Zinsnahme durch den Geldleiher zurückgezahlt.

Allerdings hatten die jüdischen Geldverleiher über die Jahrhunderte hinweg einen schlechten Ruf, da sie angeblich Wucherzinsen verlangten, also einen deutlich erhöhten Zinssatz im Vergleich zum üblichen Marktzins.

Diese Stereotypen und Vorurteile nahmen insbesondere im 19. und 20. Jahrhunderts zu und stellten die jüdischen Geldverleiher nicht nur als unmoralisch, gierig und geizig dar, sondern verbanden sich auch mit der aufkommenden Verschwörungstheorie, Juden würden die Welt über ihre Banken kontrollieren. Besonders die Familie Rothschild aus Frankfurt a. M. wurde mit diesem Klischee des einflussreichen „Geldjuden“ in Verbindung gebracht.

Die vorliegende Quelle zeigt ein deutlich anderes Bild. Das Handels- und Bankhaus von Israel Jakob und Sußmann Heinemann tätigte ein rechtmäßiges Geldgeschäft, ohne einen Zinswucher einzufordern. Sie gingen ihrer Arbeit als Bankiers nach und forderten den vereinbarten Betrag zu der zuvor vereinbarten Zeit zurück. Das Urteil des Königlich-Preußischen Oberlandesgerichts in Naumburg bestätigte das rechtmäßige Vorgehen.

Die Quelle zeigt darüber hinaus auf, dass zum einen kleine jüdische Handels- und Bankhäuser auf lokaler Ebene eine wichtige Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung spielten. Um die Wende zum 19. Jahrhundert blühte die Magdeburger Wirtschaft, insbesondere die Zucker- und der Maschinenindustrie, auf und benötigte dafür Kredite. Häufig gingen die Privatbank- bzw. Geldwechselgeschäfte dabei auf Speditions- und Handelshäuser zurück. Das Handels- und Bankhaus von Israel Jakob und Sußmann Heinemann besaß beispielsweise Filialen in Braunschweig, Magdeburg und Halberstadt.

Überlieferungsgeschichte

Die vorliegende Quelle zeigt die Perspektive des Geldleihers Christian Friedrich von dem Knesebeck (1780-1849). Seine Familie besaß das Gut Langenapel bereits seit dem 15. Jahrhundert und behielt es auch bis zur Enteignung 1945 in Familienbesitz.

Im Zuge der Enteignung in der Bodenreform gelangte das Gutsarchiv Langenapel an das Landesarchiv Sachsen-Anhalt und wird heute auf Grundlage eines 2008 geschlossenen Vertrages als Depositum im Landesarchiv Sachsen-Anhalt verwahrt.