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Zwei Vorträge zum Dessauer Zementanlagenbau

In der aktuellen Geschichtsforschung gewinnt der Dessauer Zementanlagenbau zunehmend an Interesse und das auf höchster – nationaler und internationaler - Ebene.

Zwei Wissenschaftler, Dr. Monika Motylinska, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Historischen Forschungsstelle des Leibniz-Institutes für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) e.V. in Erkner, und Dr. Max Trecker, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte München – Berlin, verbrachten zahlreiche Recherchetage im Dessauer Landesarchiv. Hier werden die umfangreichen zeitgenössischen Akten, Werbematerialien und Fotografien vom Ursprungsunternehmen, der Fa. G. Polysius Dessau, bis hin zum VEB Zementanlagenbau (ZAB) Dessau verwahrt und für die Forschung bereitgestellt.

Dessauer Zementanlagen in Afrika...

Frau Dr. Motylinska konzentrierte sich auf den Export der Fa. G. Polysius nach Afrika in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, darunter die Mozambique-Portland-Cement Plant Co. Ltd. in Mosambik sowie in Katanga in 1926 oder in Tourah in Ägypten in 1927. Damit forderte das Dessauer Unternehmen die Monopole der kolonialen Mächte heraus. Außerdem unterhielt die Firma ein breites globales Netzwerk an Vertretern, was maßgeblich zu ihrem Erfolg beitrug. Wenn gleich die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen nach dem zweiten Weltkrieg sich weitgehend veränderten, lassen sich bei den Zementwerken langfristige Kontinuitäten beobachten, denn die in den 1920ern erbauten Anlagen funktionieren auch heutzutage. Es werden diese realisierten sowie nicht realisierten Projekte von G. Polysius untersucht und kontextualisiert. Ausgehend von der Beobachtung, dass Zementfabriken als Hauptadern der Bauwirtschaft und somit jeglicher Architekturproduktion im 20. Jahrhundert fungieren, was im ‚Globalen Süden‘, wo die Verfügbarkeit von günstigem Zement geringer war (und zum Teil weiterhin ist) von einer besonderen Bedeutung ist.

...und im Nahen Osten

Herr Dr. Max Trecker befasst sich mit der jüngeren Geschichte, speziell der Route „Dessau – Damaskus“ und blickt auf die Zusammenarbeit zwischen der DDR und dem Baath-Regime beim Bau von Zementfabriken in Syrien: Das Wirtschaftssystem der DDR wurde allgemein als geschlossen und von der Außenwelt abgeschottet betrachtet. Die Planer seien darauf bedacht gewesen, möglichst alles im eigenen Land herzustellen. Was sich auch unter größten Anstrengungen nicht im eigenen Land herstellen ließ, musste – so eine populäre Sichtweise – innerhalb des sozialistischen Lagers „ertauscht“ werden. Auch wenn es in der DDR Versuche gegeben hat, in einzelnen Branchen unabhängig vom Ausland zu werden, war die DDR-Wirtschaft zu allen Zeiten in internationale Warenströme hoch integriert und hat – wenn auch auf anderem Niveau als die Bundesrepublik – an den Globalisierungsprozessen der Nachkriegszeit teilgenommen. Anhand eines Vorzeigeprojektes der 1970er Jahre illustriert Dr. Trecker diese Vorgänge. Bulgarische Bautrupps sollten mit ostdeutschem Ingenieur- Knowhow aus Dessau eine Zementindustrie in Syrien mit einer Produktionskapazität von mehreren Millionen Tonnen jährlich aufbauen. Was konnte hier schon schiefgehen? Vieles, aber nicht alles. Die Fabriken wurden gebaut und produzieren zum Teil heute noch.

Im Rahmen der Vortragsreihe des Vereins für Anhaltische Landeskunde präsentieren Dr. Motylinska und Dr. Trecker ihre Rechercheergebnisse am Dienstag, den 30. April 2019, 19.00 Uhr, im Archivverbund Dessau im Alten Wasserturm, Heidestraße 21.

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.