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Sachsen-Anhalt und der Karneval

Für das Jahr 1938 ist im Vereinsregister die Gründung der „Rheinischen Karnevalsgesellschaft“ in Dessau belegt – einer der wenigen Belege in der Überlieferung des Landesarchivs. Zu Anfang der DDR noch von der SED-Führung abgelehnt, wurde ab den 1950er Jahren Fasching zu Brauchtum und Volkskultur umdeklariert. Wie nicht anders zu erwarten, war in der DDR auch der Fasching – seinem Wesen nach ja gerade die Umkehrung bestehender Ordnung – staatlich durchorganisiert. An der Spitze stand der Zentrale Arbeitskreis Karneval, dem auf Bezirks- und Kreisebene Unterorganisationen folgten. Alle Aktivitäten von Karnevalsvereinen in der DDR mussten mit diesen staatlich-karnevalistischen Organen abgestimmt werden. Faschingsveranstaltungen wurden von Karnevalsvereinen aber auch über Betriebe im Rahmen ihrer Kulturarbeit organisiert und finanziert.

Als Beispiel dient das Archivale zur Karnevalssaison 1973/74 des Roßlauer Karneval Club´s unter dem Motto „Gib acht auf den Jahrgang“ aus dem Bestand der Druckerei Eleonore Ehrlich in Roßlau. Als Belegexemplare sind dort unter anderem Druckerzeugnisse für den Roßlauer Karneval Club erhalten, die vom VEB Deutsche Hydrierwerke Rodleben in Auftrag gegeben wurden.

Gäste karnevalistischer Veranstaltungen waren neben feierwütigen Närrinnen und Narren immer auch Vertreter der Staatssicherheit. Das war ein offenes Geheimnis und für die Redenschreiber oder Gestalter von Plakaten und Umzugswagen oft eine Gratwanderung. Das Publikum, an kabarettistische Andeutungen und Zwischen-den-Zeilen-Lesen gewöhnt, nahm jede Kritik an staatlichen Verhältnissen dankbar an. Da aber hörte für die Staatsführung der Spaß auf. Zahlreich sind die Akten der Stasi, die über Faschingsveranstaltungen in der DDR berichten, humorlos die Ausführungen der spaßbremsenden Stasispitzel. Mancher Narr begab sich schlimmstenfalls persönlich in Gefahr - aber wie hieß es so schön: „Eine gute Pointe muss eben sitzen!“

Das Archivale sowie weitere Dokumente sind innerhalb der Öffnungszeiten des Archivverbundes Dessau (Mo-Do 9-17 Uhr) zu sehen bzw. in der Online-Recherche des Landesarchivs Sachsen-Anhalt recherchierbar.

Die gezeigte Abbildung kann hier heruntergeladen werden: LASA, I 459 Druckerei Eleonore Ehrlich, Roßlau, Nr. 755