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Korrespondenz zwischen Geheimrat Dr. Oppenheim und Dr. Erlenbach

Quellenkritische Einordnung

In Wirtschaftsbeständen sind häufig Korrespondenzen, vor allem der Leiter und Direktoren, mit anderen Personen und Institutionen überliefert. Der Schriftwechsel hat zumeist wirtschaftliche oder wissenschaftliche Themen zum Inhalt, kann aber auch private Informationen enthalten. In den teilweise bereits im 19. Jahrhundert gegründeten Unternehmen der chemischen Industrie waren jüdische Personen als Direktoren oder Wissenschaftler tätig. In einigen Fällen waren die Gründer beziehungsweise Kapitalseigener jüdischer Herkunft und/oder saßen im Vorstand oder Aufsichtsrat.

Inhaltliche Einordnung

Die Farbenfabrik Wolfen ist eine Gründung der Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation (Agfa), die im Jahr 1867 in Berlin unter Mitwirkung des jüdischen Chemikers und Industriellen Paul Felix Abraham Mendelssohn Bartholdy gegründet wurde. Maßgeblichen Einfluss auf die im Jahr 1894 erfolgte Gründung des Wolfener Werkes hatte Dr. Franz Oppenheim, ein aus einer bekannten jüdischen Familie Berlins stammender Chemiker und Industrieller, der seit 1886 die Geschäftsleitung der Agfa innehatte. Mit dem Zusammenschluss führender deutscher Chemieunternehmen 1925 wurde das Wolfener Werk ein Betrieb der Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG (IG Farbenindustrie AG), Frankfurt (Main).

Dr. Arnold Erlenbach (1868-1938) stammte aus einer alten jüdischen Familie aus Fürth und war seit 1896 bei der Agfa in Berlin als Farbstoffchemiker angestellt. 1901 wurde er in der Farbenfabrik Wolfen mit verschiedenen Tätigkeiten betraut. Seit 1919 war er Leiter aller Agfa-Farbenbetriebe, seit 1921 Vorstandsmitglied der Agfa und Werkleiter der Farbenfabrik Wolfen sowie von 1926 bis zum Eintritt in den Ruhestand 1929 Vorstandsmitglied der IG Farbenindustrie AG.

Die Korrespondenz zwischen Oppenheim und Erlenbach zeigt, wie Oppenheim, obwohl längst im Ruhestand und aus gesundheitlichen Gründen zur Kur in Baden-Baden, sich weiterhin in unternehmerischen Belangen der Farbenfabrik Wolfen engagiert und auch regelmäßig darüber von Erlenbach unterrichtet wird.

Diese Korrespondenz belegt beispielhaft, dass in der deutschen Wirtschaft im 19. Jahrhundert bis zur Arisierung in den 1930er Jahren viele jüdische Personen als erfolgreiche Kaufleute und Bankiers tätig waren. Wie in den vorherigen Schlaglichtern bereits deutlich wurde, war es Einwohnern jüdischen Glaubens lange Zeit nicht erlaubt, ein Handwerk auszuüben oder Landwirtschaft zu betreiben. Infolgedessen konzentrierte sich ihr Erwerbsleben insbesondere auf die Bereiche Geldverleih und Handel, in denen sie es im Laufe der Jahrhunderte zu Erfolg und Wohlstand brachten. Jüdische Intellektuelle prägten außerdem als Künstler und Wissenschaftler das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben. Als Beispiel sei hier nur genannt, dass der oben erwähnte Chemiker und Mitbegründer der Agfa, Paul Felix Abraham Mendelssohn Bartholdy, ein Sohn des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy und ein Bruder des Historikers Carl Mendelssohn Bartholdy war.

Überlieferungsgeschichte

In der Sowjetischen Besatzungszone ansässige Unternehmen der Privatwirtschaft wurden nach 1945 verstaatlicht. Das Schriftgut dieser volkseigenen Betriebe wurde von den jeweils zuständigen Staatsarchiven der DDR übernommen. In diesem Schriftgut befanden sich auch ältere Unterlagen der Vorgängerbetriebe aus der Zeit vor 1945, die zum Teil bis ins 19. Jahrhundert zurückreichten. Dadurch sind diese Unterlagen in den heutigen Staats- und Landesarchiven der neuen Bundesländer überliefert. Die Unterlagen der Farbenfabrik Wolfen wurden gemeinsam mit denen des IG Farben-Betriebes Bitterfeld im Betriebsarchiv des VEB Farbenfabrik Wolfen verwahrt und gelangten 1984 in das zuständige Staatsarchiv Magdeburg. Sie werden heute neben vielen anderen bedeutenden Wirtschaftsbeständen als Bestand I 532 IG Farbenindustrie AG, Farbenfabrik Wolfen im Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Merseburg, verwahrt. Darin befindet sich unter den Nummern 353 und 354 die Korrespondenz zwischen Geheimrat Dr. Oppenheim und Dr. Erlenbach aus dem Zeitraum 1916 bis 1928.