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Landesherrliches Edikt bezüglich der Juden im Fürstentum Halberstadt vom 31. Mai 1709

Quellenkritische Einordnung

Frühneuzeitliche Edikte waren Erlasse oder Verordnungen der Obrigkeit, die sie durch öffentliche, meist gedruckte Bekanntmachungen verbreiteten. Sie enthielten häufig Vorschriften und Regeln für das Zusammenleben, wozu speziell auch die Rechtsverhältnisse der Juden gehörten. Im Laufe der Frühen Neuzeit nahm die Ausführlichkeit von Regelungen, aber auch die Tendenz zur Vereinheitlichung deutlich zu. Als Quelle spiegeln frühneuzeitliche Edikte die landesherrlichen Idealvorstellungen wider. Eine Aussage über das tatsächliche Zusammenleben erlauben sie dagegen nur eingeschränkt: Inwieweit sie auf das praktische Leben einwirkten, hing davon ab, ob die landesherrlichen Regelungen auch vor Ort durchgesetzt werden konnten.

Inhaltliche Einordnung

Der „Königlich Preußische Stadthalter“ und die Regierung des Fürstentums Halberstadt erließen am 31. Mai 1709 das vorliegende Edikt. Anlass war, dass sich „fremde[] ohne Special Schutz-Briefe von S[eine]r Königl[ichen] Maj[estät] Unserm allergnädigsten Herrn [...] heimlich allhier einschleichende[] Juden“ im Fürstentum aufhalten würden. Zu diesem Zweck wurde auf die bereits bestehende Verordnung aus dem Jahr 1703 verwiesen und die Untertanen zur Einhaltung der darin genannten Vorgaben ermahnt. Zur Erinnerung wurde im Edikt noch einmal betont, dass Juden ohne eine vorzeigbare und gültige Konzession nicht geduldet seien.

Ziel der landesherrlichen Obrigkeit war es, Kontrolle über die ansässigen Juden und eine weitere Zuwanderung zu erhalten. Landesherrliche Akzeptanz im Herrschaftsgebiet genossen nur diejenigen jüdischen Familien, die insbesondere für die wirtschaftliche Entwicklung als „nützlich“ und „dienlich“ eingestuft wurden – nicht aber in der Quellensprache als „böse Landstreicher und Spitzbuben“ bezeichnete jüdische Personen.

Als Wiederholung vermittelte das Edikt der Bevölkerung die wichtigsten Regeln:

1.    Innerhalb von acht Tagen sollen alle nicht rechtmäßig in Halberstadt und im Fürstentum Halberstadt anwesenden Juden verbannt werden.

2.    Ein Jude, der keine gültige Aufenthaltserlaubnis vorweisen kann, darf nicht in der Stadt oder auf dem Land mit Waren handeln und hausieren.

3.    Es besteht eine Anzeigepflicht bei der Regierung und der Stadtobrigkeit für unerlaubt anwesende Juden.

4.    Alle Juden müssen dem Judenvorsteher die Dokumente vorlegen, wonach sie unter königlichem Schutz stehen.

5.    Betreiber von Gasthäusern und Schenken, aber auch Bürger und geduldete Juden selbst, werden aufgefordert, keine fremden Juden zu beherbergen und Herbergsgeld von ihnen anzunehmen. (Eine Ausnahme sei nur die Beherbergung von mit der Post durchreisenden Juden.)

Unter Androhung hoher Strafgelder (bis zu 10 Talern) und Gerichtsprozessen erhoffte sich die landesherrliche Obrigkeit die Einhaltung und Umsetzung der Verordnung. Noch einmal wurde betont, dass die Verordnung sich auf alle Amtsträger, Städte und Dörfer des Fürstentums Halberstadt gleichermaßen bezieht. Das Edikt war für die Obrigkeit damit ein wichtiges Steuerungsinstrument, um eine gezielte Zugangsbeschränkung für die jüdische Bevölkerung bekannt zu machen und durchsetzen zu können.

Allerdings verweist das Dokument selbst auch noch auf einen anderen Umstand: Das mit der Aufklärung eingeforderte und heutzutage selbstverständliche Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz wurde nicht verfolgt. Die jüdische Bevölkerung war in besonderem Maße auf die Entscheidungen ihres Landes- bzw. Territorialherren angewiesen. Letzterer gewährte ihnen nicht nur Schutz, sondern konnte ebenso über Ausweisungen und Vertreibungen entscheiden. Jeder Obrigkeit kam das Recht zu, eigene Verfügungen zu erlassen. So erklärt es sich beispielsweise auch, dass in den Territorien, die nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges an das Kurfürstentum Brandenburg fielen, teils unterschiedliche Bestimmungen vorherrschten. Während etwa im benachbarten Herzogtum Magdeburg ein Niederlassungsverbot für Juden existierte, war den Glaubensangehörigen im Fürstentum Halberstadt eine Ansiedlung erlaubt – wenn auch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Gleichfalls durften sie dort eine Gemeinde gründen sowie Handel treiben.

Überlieferungsgeschichte

Die beiden Orte Burg Falkenstein und Meisdorf waren seit 1332 Lehen des Hochstifts Halberstadt, welches 1650 als Fürstentum Halberstadt an die Kurfürsten von Brandenburg fiel. Damit gehörten beide Orte zum Geltungsbereich des landesherrlichen Edikts von 1709.

Die Herren von der Asseburg, die die Burg 1449 zu Lehen erhielten und sie über 15 Generationen bis zur Bodenreform 1945 in Familienbesitz hielten, sammelten eine Vielzahl von Edikten aus ihrem unmittelbaren Wirkungs- und Handlungsumfeld.

Im Zuge der Enteignung durch die Bodenreform gelangte das Herrschaftsarchiv Falkenstein-Meisdorf an das heutige Landesarchiv Sachsen-Anhalt.

 

Das Edikt können Sie hier herunterladen:

LASA, H 4, Nr. 3135, Bl. 2

 

Die Edikte des Herrschaftsarchivs Falkenstein-Meisdorf können Sie hier recherchieren.